Rote Husaren widerlegen so manches Klischee



Veränderung Weg vom alten Image – Musikverein ist mittlerweile modern und zeitgemäß

von Ulrike Bletzer

Bad Ems. Die letzten acht Takte haben es in sich. „Da müssen die verschiedenen Instrumente noch mal getrennt ran“, beschließt Stanislaw Kawiorski. Als erstes greift der Dirigent die Saxofonisten heraus, lässt sie die Passage als Gruppe und auch einzeln so lange vorspielen, bis sie aus dem Effeff sitzt. Dann sind die Trompeten und die beiden Tubas an der Reihe, bevor Stevie Wonders Evergreen „I just called to say I love you“ in vollem Bläserton durch die laue Sommernacht erklingt.

Jeden Mittwochabend verwandelt sich der Klassenraum von Lehrer Gries in der Ernst-Born-Schule in einen First-Class-Musiksaal. Denn von 19.30 bis 21.30 Uhr probt der Musikverein Rote Husaren in der Verbandsgemeinde Bad Ems e.V. Ohne eifriges Üben geht es auch nicht, wenn man wie die Roten Husaren 30 bis 40 Aufritte pro Jahr hinlegt. Ob bei der Buga in Koblenz oder im März beim Richtfest der Bad Emser Therme, ob im Karneval, zu Weihnachten oder auf dem Bartholomäusmarkt: „Uns kann man zu jedem Anlass engagieren“, erklärt Gerd Rosenbaum, musikalischer Organisator des Vereins und seit 39 Jahren als Trompeter dabei.

Fast fünf Stunden Konzert könnten die Roten Husaren mit ihrem Repertoire bestreiten, fügt er stolz hinzu. Mit einem Repertoire, das so manche Vorstellung zum Thema Blasmusik aus der festgefahrenen Bahn wirft. Klar, Traditionelles wie der „Egerländer Straßenmarsch“ oder die „Löffelpolka“ steht bei den 1956 zunächst als Abteilung des Motorsport-Clubs Bad Ems gegründeten Roten Husaren auch auf dem Programm. Aber das ist schon längst nicht mehr der Schwerpunkt. Von einer Verjüngungskur spricht Gerd Rosenbaum, als er erzählt: „Um alle Altersstufen anzusprechen und unseren Musikstil von dem anderer Vereine abzuheben, haben wir vor einigen Jahren einen kompletten Richtungswechsel vollzogen.“ Seither stehen so moderne Hits wie „Tequila“ von The Champs, Michael Jacksons „Heal the world“ oder, ganz aktuell, der Song „Das ganze Leben ist ein Quiz“ aus Hape Kerkelings erst vor wenigen Monaten an den Start gegangenem Musical „Kein Pardon“ auf dem Programm.


Jeden Mittwochabend proben Musiker der Roten Husaren im First-Class-Musiksaal der Bad Emser Ernst-Born-Schule. Doch Musik ist nicht alles. Auch die Gemeinschaft und die Geselligkeit werden in dem Verein großgeschrieben. Foto: Ulrike Bletzer

Auch optisch hat sich einiges getan: 2009 haben die Musiker ihre anachronistisch-prunkvoll gestylten Husaren-Uniformen inklusive Militär-Mütze, pailettenbesetzten Jacken und zackigen Stiefeln abgelegt und gegen eine zeitgemäßere Kleidung aus rotem Sakko, weißem Hemd und schlichtem Halsband ausgetauscht. Trotzdem haftet der zweifelhafte Nimbus des hoffnungslos Angestaubten, der biederen „Dicke-Backen-Musik“, wie Rosenbaum es schmunzelnd nennt, wie eine Tube Pattex an den Husaren. In seinen Augen ist das auch der Hauptgrund dafür, dass die Gruppe trotz ihrer emsigen Präsenz bei Veranstaltungen in der Bevölkerung relativ unbekannt ist. „Die Leute haben ein völlig falsches Bild von uns“, bedauert er. „,Ihr spielt ja bloß so altes Zeug’, heißt es dann.“ Noch lebhaft erinnert er sich an jene Karnevalsveranstaltung, bei der ein Herr auf der Toilette seinen Nachbarn „Wer spielt denn da so fetzig?“ fragte und auf die Auskunft „Die Husaren“, mit einem „Das gibt’s doch nicht!“ seine Verblüffung kundtat.

Stanislaw Kawiorski, seit rund sechs Jahren Dirigent der Roten Husaren, studiert die Hits und Evergreens mit den Bläsern und Schlagzeugern ein, übernimmt die musikalische Ausbildung und feilt an den Feinheiten. Er habe ein „wahnsinnig gutes Feeling für die Jugendlichen“, lobt Jugendwartin Kim Klingelhöfer. Denn auch das ist höchst ungewöhnlich für einen Blasmusikverein: Der Altersdurchschnitt der derzeit 23 aktiven Mitglieder der Roten Husaren liegt bei etwa 30 Jahren. Der Jüngste, Max Hausen, ist sogar erst neun – 63 Jahre jünger als Peter Henkel, der Senior der musikbegeisterten Truppe, zu der insgesamt sieben Jugendliche zählen. Keine Spur also von den üblichen Nachwuchsproblemen? „Naja, es wäre schon sehr schön, wenn noch mehr Jugendliche dazukämen“, räumt Kim Klingelhöfer ein. Aber egal welchen Alters: Neue Mitglieder sind immer willkommen.

„Vielen Hobby-Musikern fehlt die Traute zu sagen: Ich möchte in einer Gruppe mitspielen“, beobachtet Rosenbaum. „Aber beim gemeinsamen Musizieren kommt der richtige Spaß ja eigentlich erst.“ Noten lesen können sollte man zwar schon, wenn man den Roten Husaren beitreten will und ein geeignetes Instrument besitzen auch. Aber darin muss man kein Meister sein. Rosie Hirdes zum Beispiel kaufte sich mit 60 ein Saxofon und nahm ein Jahr lang regelmäßig Unterricht, während sie schon bei den Roten Husaren aktiv war. „Am Anfang habe ich nur so getan, aber inzwischen spiele ich sogar richtig mit“, scherzt die heute 72-Jährige.

Aber es ist nicht nur die Musik, die Rosie Hirdes und ihre Mitstreiter über so viele Jahre hinweg bei der Stange hält, sondern auch das zwischenmenschliche Drumherum. Denn das trägt dazu bei, dass die Roten Husaren längst eine Art Familiengefühl entwickelt haben.

Rh.-Lahn-Ztg. Bad Ems vom Mittwoch, 8. August 2012, Seite 22